Viele chronische Erkrankungen sind schwierig zu behandeln. Hier konzentrieren wir uns auf acht wichtige Schmerzzustände mit einem hohen ungedeckten Bedürfnis bei Patienten und/oder medizinischen Fachkräften.

Unser Ziel ist es ausführliche Informationen über diese Erkrankungen zur Verfügung zu stellen - vom Krankheitsverständnis bis hin zu Behandlungsansätzen.

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Chronische postoperative Schmerzen

 

Perioperatives Schmerzmanagement bezieht sich auf die Maßnahmen, die man vor, während und nach einem chirurgischen Eingriff ergreift, um Schmerzen bis zur Entlassung zu lindern oder zu beseitigen.1 Wenn dennoch eine Chronifizierung dieses Schmerzes auftritt, wird dieser als chronischer postoperativer Schmerz (chronic post-surgical pain, CPSP) bezeichnet. Er ist ein potenziell verheerendes Ergebnis eines ansonsten erfolgreichen chirurgischen Eingriffs.1, 2 Die jüngste Definition von CPSP sind Schmerzen von mindestens drei bis sechs Monaten Dauer, welche die gesundheitsbezogene Lebensqualität eines Patienten erheblich beeinträchtigen.3 Für Betroffene können sie eine schwerwiegende Komplikation mit Funktionseinschränkungen und psychischen Traumata bedeuten und auch für das Operationsteam ist eine solche Entwicklung enttäuschend und frustrierend.4

 

Fakten im Überblick

  • CPSP ist ein erhebliches Problem, von dem jedes Jahr Millionen von Patienten betroffen sind. Die Schmerzen können Monate oder Jahre nach dem Eingriff anhalten.2,5
  • Es gibt mehrere prä-, intra- und postoperative Risikofaktoren für die Entwicklung von CPSP, beispielsweise Komorbiditäten. Auch die Größenordnung der Operation und die Strategie des postoperativen Schmerzmanagements spielen eine Rolle.6,7
  • Die Entwicklung von CPSP ist komplex und multifaktoriell. Man geht davon aus, dass CPSP auch ein Zusammenspiel von Patientenfaktoren, der Entzündungs- und Immunreaktion auf Gewebe- und Nervenschädigungen sowie der angewandten chirurgischen, anästhetischen und analgetischen Techniken ist.8
  • Die Diagnose CPSP wird gestellt, wenn der Schmerz im Operationsfeld oder im Innervationsgebiet eines im Operationsfeld befindlichen Nervs lokalisiert ist, drei bis sechs Monate nach der Operation anhält und andere Schmerzursachen ausgeschlossen sind.2

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Epidemiologie

In Schmerzkliniken registriert man Operationen als eine der häufigsten Ursachen für die chronischen Schmerzen der Patienten.9 Man schätzt, dass akute postoperative Schmerzen in 10–50 % der Fälle nach gewöhnlichen chirurgischen Eingriffen auftreten.1 Somit betrifft CPSP jedes Jahr Millionen von Menschen, wobei die Schmerzen Monate bis Jahre andauern. Es ist demnach ein weit verbreitetes Leiden, das auch wirtschaftliche Konsequenzen hat.2 Die Prävalenz von CPSP variiert je nach Art der Operation. Die Eingriffe mit der höchsten Inzidenz von CPSP sind Amputationen, Thorakotomien und brustchirurgische Operationen.2

 

CPSP: chronische postoperative Schmerzen

Risikofaktoren

Für die Entwicklung von CPSP wurden mehrere Risikofaktoren identifiziert. Es gibt keinen einzelnen dominanten Faktor.4 Die Risikodeterminanten können je nach Zeitpunkt klassifiziert werden. Zur Gefahr einer CPSP-Entwicklung tragen Faktoren vor, während und nach der Operation bei.6

Zu den Hauptrisikofaktoren für CPSP zählen das Ausmaß der Gewebeschädigung während der Operation und die Verletzung der Nerven durch Dissektion oder Retraktion.4 Nerven sind durch chirurgische Retraktion, Diathermie oder Knochenkompression einer ständigen Gefahr der Quetschung, Dehnung, Teilung oder Einklemmung ausgesetzt.4 Möglicherweise lässt sich das Risiko durch Berücksichtigung des chirurgischen Zugangs, der Art der Schmerzbehandlung und der psychischen Veranlagung verringern.9 Psychologische Risiken sind ebenfalls ein wichtiger Gesichtspunkt. Negative affektive Konstrukte wie Angstzustände, Depressionen, die Wahrnehmung des Schmerzes als Katastrophe und allgemeine psychische Belastungen hat man durchwegs als Risikofaktoren für CPSP identifiziert.11

PAIN OUT, ein internationales Forschungsnetzwerk zur Qualitätsverbesserung, untersucht das perioperative Schmerzmanagement im klinischen Alltag anhand eines großen Registers.12 Aktuelle Daten aus dem Projekt legen nahe, dass Bildungsinterventionen Prozesse verbessern können.12

 

Ursachen

Neuroplastizität (Sensibilisierung der Wirbelsäule) nach einem Trauma kann akuten Schmerz in chronischen Schmerz umwandeln, wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird.4 Man nimmt jedoch an, dass die Entwicklung von CPSP multifaktoriell und u. a. ein Zusammenspiel von Patientenfaktoren (z. B. psychischer Prädisposition, Genetik, bereits bestehenden Schmerzen), der Entzündungsreaktion auf Gewebeschäden und den angewandten chirurgischen, anästhetischen und analgetischen Techniken ist.8

 

Merkmale und Symptome

Die Merkmale und Symptome von peri- und postoperativen Schmerzen können aufgrund der sehr heterogenen Patientenpopulation unterschiedlich sein. Außerdem variieren das Ausmaß von Gewebeverletzungen und der Entzündungsgrad je nach Operationstyp und angewandtem Verfahren stark.4 Man nimmt an, dass eine Nervenverletzung während der Operation an der Entwicklung von CPSP beteiligt ist. Einige (aber nicht alle) Patienten mit CPSP zeigen evozierte und spontane Symptome, die mit neuropathischen Schmerzen assoziiert sind, wie Allodynie und Hyperalgesie.7 Der Zusammenhang zwischen operationsbedingten Nervenschäden und der Entwicklung von CPSP ist jedoch kompliziert. Nicht alle Patienten mit Nervenschäden entwickeln CPSP, und diejenigen, die das tun, haben nicht unbedingt neuropathische Schmerzen.7

 

 

Pathophysiologie

Durch Entzündungs- und Immunreaktionen nach Nervenschäden an Axonen werden Neurotransmitter freigesetzt, die lokal und im Rückenmark wirken und zu Überempfindlichkeit und ektopischer neuronaler Aktivität führen. Dies trägt zu einer zentralen Sensibilisierung bei.7 Eine solche tritt auf, wenn es durch wiederholte nozizeptive Reize zu Veränderungen im Hinterhorn des Rückenmarks und einer verstärkten Reizleitung kommt. Die Folge können anhaltende Veränderungen des Nervensystems sein, beispielsweise der Tod inhibitorischer Neuronen, deren Ersatz durch exzitatorische afferente Neuronen und die Aktivierung von Mikroglia. Das äußert sich dann in Symptomen, die mit neuropathischen Schmerzen assoziiert sind.7

 

 

Diagnose

Die Kriterien für die Diagnose von CPSP wurden ursprünglich 1999 vorgeschlagen, und zwar als Definition von Schmerz, der sich nach einer Operation entwickelt und mindestens zwei Monate andauert.2 Andere Ursachen für den Schmerz und die Möglichkeit, dass er in einem bereits bestehenden Problem wurzelt, müssen ausgeschlossen werden. Im Jahr 2014 schlugen Werner und Kongsgaard eine Überarbeitung der diagnostischen Kriterien für CPSP auf Basis des aktuellen Verständnisses vor.2

 

CPSP: chronische postoperative Schmerzen

Management

Leitlinien und Empfehlungen

Prävention

Derzeit gibt es keinen verbindlichen Weg, um das Auftreten von CPSP zu vermeiden.4 Es besteht auch kein Konsens über die Verhinderung der Chronifizierung akuter postoperativer Schmerzen (post-surgical pain; PSP). Präventionsstrategien könnten eine Modifikation der Operationstechnik, eine gute Schmerzkontrolle während der gesamten perioperativen Phase und eine präoperative psychologische Intervention umfassen, die sich auf psychosoziale und kognitive Risikofaktoren konzentriert.4


Management

In der Behandlung von CPSP empfehlen die International Association for the Study of Pain und die European Pain Federation (EFIC) drei wesentliche strategische Komponenten: multimodale Analgesie, verfahrensspezifische Analgesie und akute Rehabilitation nach der Operation.14

Evidenzbasierte Leitlinien unterstützen die Verwendung von Lokalanästhesie und peripherer oder neuraxialer regionaler Analgesie als wichtige Techniken innerhalb eines multimodalen Ansatzes.14

Analgetische Zugänge sollten auch auf den spezifischen chirurgischen Eingriff zugeschnitten sein, da dies die Art, den Schweregrad und den Ort der Schmerzen beeinflussen kann.14 Analgesie ist jedoch nur eine Dimension der Genesung – allein reicht sie oft nicht aus, um eine vollständige Heilung nach einer Operation zu unterstützen. Das Management von CPSP mithilfe eines multimodalen interdisziplinären Ansatzes kann die Schmerzkontrolle verbessern.6

 

Pharmakologische Behandlungen

Prävention

Es gibt einige Belege für die Fähigkeit einer präventiven multimodalen Behandlung mit Analgetika, die Entwicklung von CPSP zu beeinflussen. Eine durch Anästhetika vermittelte Verringerung der Inzidenz von CPSP wurde jedoch durch keine großen randomisierten, prospektiven Studien bestätigt.13


Management

Während in der Vergangenheit Morphin oder ähnliche Opioide als primäre Behandlung von PSP herangezogen wurden, haben Bedenken hinsichtlich unerwünschter Wirkungen zum Einsatz einer multimodalen Analgesie geführt. Hier werden zwei oder mehrere Medikamente mit unterschiedlicher Lokalisation oder unterschiedlichen Wirkmechanismen kombiniert.14 Dies ist bei PSP von besonderer Bedeutung, da die Art des chirurgischen Eingriffs zu Schmerzen führen kann, die sich aus verschiedenen Mechanismen ergeben (z. B. Schmerzen des Bewegungsapparats nach einer orthopädischen Operation; viszerale Schmerzen nach einer Bauchoperation).14 Zu den Vorteilen eines multimodalen pharmakologischen Behandlungsansatzes gehören verbesserte analgetische Eigenschaften, ein verringerter Opioidbedarf („Opioid-Sparing“) und weniger Nebenwirkungen von Opioiden.14

Wo dies gerechtfertigt ist, sollten Opioide angewandt werden, aber nur bei sorgfältig ausgewählten Patienten, verschrieben in der niedrigsten Dosis mit kürzestmöglicher Dauer, mit genau definierten Behandlungszielen und bei kontinuierlicher Evaluation.15 Weitere Informationen zum verantwortungsvollen Umgang mit Opioiden finden Sie hier, Hier klicken.

Ungedeckte medizinische Bedürfnisse

CPSP ist ein erhebliches klinisches Problem, das die postoperative Rehabilitation und gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen ernsthaft beeinträchtigt. Trotz verstärkter Forschung zur Pathophysiologie von CPSP und der jüngsten Fortschritte bei analgetischen Therapien berichten viele Patienten immer noch von schwerem CPSP.16 Ein besseres Verständnis der pathophysiologischen Prozesse, die den Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen verursachen, ist entscheidend für die Erweiterung des derzeitigen multimodalen Ansatzes um vorbeugende Maßnahmen.17 Gleiches gilt für die Behandlung von CPSP, sobald sich die Symptomatik etabliert hat. Das Management kann unzureichend sein, daher ist auch hier ein besseres Verständnis essenziell für die bestmögliche Behandlung dieses leidvollen Zustands.18

Ressourcen

 

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  • Quellen

    1. Gregory P & Settles K. Pract Pain Manag. 2013;13(9):1–6.

    2. Correl D. F1000Res. 2017;6:1054.

    3. Werner MU & Kongsgaard UE. Br J Anaesth. 2014;113(1):1–4.

    4. Thapa P & Euasobhon P. Korean J Pain. 2018;31:155–73.

    5. Macrae WA. Br J Anaesth. 2008;101:77–86.

    6. Richards A. Management of chronic post-surgical pain: an overview. In: Australian Medical Student Journal. 2017. Available at: https://www.amsj.org/archives/6110. Accessed June 2020.

    7. Searle RD & Simpson KH. Contin Educ Anaesth Crit Care Pain. 2010;10:12–14.

    8. Bruce J & Quinlan J. Rev Pain. 2011;5:23–9.

    9. Reddi D & Curran N. Postgrad Med J. 2014;90:222–7.

    10. Schug SA et al. Pain. 2019;160(1):45–52.

    11. Weinrib AZ, et al. Br J Pain. 2017;11(4):169–77.

    12. Zaslansky R et al. Pain Rep. 2019;4(1):e705.

    13. Kehlet H et al. Lancet. 2006;367(9522):1618–25.

    14. International Association for the Study of Pain (IASP) and European Pain Federation (EFIC). Factsheet: Management of postsurgical pain in adults. 2017. Available at: https://www.europeanpainfederation.eu/wp-content/uploads/2017/01/05.-Management-of-Postsurgical-Pain-Management.pdf. Accessed June 2020.

    15. Clauw DJ, et al. Postgrad Med. 2019;131(3):185–98.

    16. Richebé P et al. Anesthesiology. 2018;129:590–607.

    17. Van de Ven TJ & Hsia HLJ. Curr Opin Crit Care. 2012;18:366–71.

    18. Kleiman AM et al. Reg Anesth Pain Med. 2017;42(6):698–708.